VOM HIMMEL GEFALLEN
Yalda Afsah
Maximiliane Baumgartner
Gerrit Frohne-Brinkmann
Richard Frater
Annika Kahrs
Almut Linde
Hemansingh Lutchmun ERÖFFNUNG
Samstag, 26. Juli
14-16 Uhr Soft Opening im Overbeck-Pavillon: Gespräch mit Cord Riechelmann und Paula Kommos "Zwischen Himmel und Erde"
17 Uhr Eröffnung, St. Petri zu Lübeck
Begrüßung Lilly Schaack, Pastorin
Einführung Paula Kommoss, Direktorin
18 Uhr Performance, A BIG YEAR, 2025
von Annika Kahrs
MUSEUMSNACHT
Samstag, 30. August
18:30 Uhr Performance, A BIG YEAR, 2025
St. Petri zu Lübeck
von Annika Kahrs
Eine Gruppe von Menschen schaut in den Himmel. Hoch oben zeichnet sich ein Vogelschwarm gegen das Licht ab, seine Bewegungen wirken chaotisch und doch wie Teil eines größeren Rhythmus. Plötzlich lösen sich einzelne Tiere aus der Formation, drehen sich mit geöffneten Flügeln rückwärts in die Tiefe, stürzen scheinbar haltlos, bevor sie sich fangen und wieder aufsteigen. Die Ausstellung VOM HIMMEL GEFALLEN, die in der Overbeck-Gesellschaft und St. Petri zu Lübeck eröffnet, knüpft an solche Bilder an – an Momente des Bruchs, des Kontrollverlusts, aber auch der Rückkehr und des Widerstands. Sie widmet sich auf vielschichtige Weise der Beziehung zwischen Menschen und Vögeln – einem Verhältnis, das durchzogen ist von Widersprüchen: von Faszination und Vereinnahmung, von Nähe und Distanz, von Projektion und Realität.
Im Zentrum steht der tief verwurzelte Drang des Menschen, die Natur – und mit ihr die Tiere – zu ordnen, zu benennen, zu beherrschen. Gleichzeitig bleibt der Vogel ein Symbol des Unverfügbaren: ein Wesen der Lüfte, das sich der Schwerkraft entzieht. Gerade in dieser Spannung entfalten die künstlerischen Positionen der Ausstellung ihre Kraft. Sie machen sichtbar, wie Vögel in verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten gelesen, verehrt, gejagt oder instrumentalisiert wurden – und welche Spuren diese Lesarten bis heute in unserem Umgang mit der Natur hinterlassen haben. Die ausgestellten Werke öffnen Perspektiven auf aktuelle ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen. Sie zeigen Vögel nicht nur als Symbole der Freiheit oder der Seele, sondern auch als stille Zeugen des Klimawandels, der Umweltzerstörung, der Entfremdung. In der Wechselwirkung zwischen Mensch und Vogel offenbart sich ein fragiles Verhältnis – eines, das in unserer Gegenwart neu verhandelt werden muss.
Doch das Bild des fallenden Vogels ist mehr als nur eine düstere Mahnung. Es verweist auch auf einen Moment der Verletzlichkeit – und der Möglichkeit, hinzusehen. Die Kunstwerke der Ausstellung VOM HIMMEL GEFALLEN greifen diese Ambivalenz auf: Sie zeigen Vögel nicht nur als Opfer menschlicher Eingriffe, sondern auch als Wesen, die sich behaupten, die sich anpassen, die trotz aller Gefährdung weiter existieren – manchmal sichtbar, manchmal nur hörbar, wie ein ferner Ruf. In vielen Arbeiten wird der Vogel zum Medium, durch das gesellschaftliche und ökologische Themen verhandelt werden. Mal steht er als mythische Figur im Zentrum, mal als biologisches Subjekt, mal als Projektionsfläche kultureller Sehnsüchte. Die künstlerischen Perspektiven spannen ein weites Feld auf: von der Auseinandersetzung mit kolonialen Sichtweisen auf Tier und Natur bis hin zu gegenwärtigen Fragen nach Artensterben, Migration und der Rolle des Menschen im ökologischen Gefüge.
So führt die Ausstellung nicht nur in die Lüfte, sondern auch tief in die gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Zeit. Sie fordert dazu auf, vertraute Bilder neu zu betrachten – und aufmerksam zu werden für das, was in Bewegung ist, was ins Wanken gerät, was schon gefallen ist. Denn vielleicht liegt in der Beobachtung des Sturzes auch die Chance, eine neue Haltung zu entwickeln: achtsamer, verbundener, bereit, Verantwortung zu übernehmen.
VOM HIMMEL GEFALLEN ist damit nicht nur eine Reflexion über die Beziehung zwischen Mensch und Vogel, sondern auch ein Angebot, die eigenen Sichtweisen zu hinterfragen – und den Blick zu schärfen für das, was über uns kreist.
Kuratiert von Paula Kommoss
Film still: Yalda Afsah, SSRC, 2022, 20 min.