Künstler Christian Jankowski inszeniert ‚Heilige Geschäfte‘ in vier Lübecker Kirchen.
Kirchen prägen das Bild der Stadt Lübeck. In vier von ihnen eröffnen Geschäfte für zwei Wochen eine Filiale und leisten ‚Dienst am Kunden‘ im sakralen Raum. Die Begegnung von Glaube und Geschäft organisiert der international renommierte Künstler Christian Jankowski. Angeboten werden den Gläubigen, Kunstfreunden und Kundinnen nicht nur Bekleidung (Holtex in der Johann-Hinrich-Wichern-Kirche) oder Möbel (Bolia in der Kirche St. Petri), sondern auch Lebensmittel (Landwege in der evangelisch reformierten Gemeinde Lübeck) oder Elektronik (JessenLenz in St. Jakobi). Menschliche Grundbedürfnisse – Kleidung, Wohnen, Ernährung, Kommunikation – haben Orientierung für die Auswahl geliefert.
In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt sich der 1968 geborene Künstler mit Verhältnissen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, mit den Beziehungen von Kunst, Medien und Gesellschaft. Schon 1992 ging er mit Pfeil und Bogen ‚auf Jagd‘ in einem Supermarkt. 2013 konnte er hochrangige Vertreter des Vatikans zu einem Jesus-Casting überzeugen. 2016 kuratierte er die internationale Avantgarde-Ausstellung Manifesta und rückte dabei eine ganze Künstlergemeinschaft mitten ins Zürcher Berufs- und Alltagsleben. Jankowski, der eine Professur an der Stuttgarter Kunstakademie innehat, folgt in seiner Praxis dem in der Moderne bewährten Montageprinzip. Allerdings verbindet er nicht unterschiedliche Zeitungsausschnitte auf einem Bild wie die Kubisten, sondern alltägliche Verhaltensweisen; in den ‚Heiligen Geschäften‘ also den Gottesdienst mit dem Einkaufen.
Eine Provokation? Jankowski verweist auf die Jahrhunderte alte Verbindung der Kaufleute mit ihren Kirchen, die hier für ihr Seelenheil investierten. Das Kunstprojekt möchte auf die selbstverständliche Nähe von Kirche und Alltag, von Glaube und Kunst in früheren Jahrhunderten verweisen: Auch Immobilien des Glaubens können nur dann entstehen, wenn man sie bezahlen kann. Die vielen Diskussionen während der Vorbereitung des Projekts zeigen, dass hier aber vor allem zentrale Fragen zeitgenössischer Religiosität verhandelt werden: Glaube, Teilhabe am politischen Leben, Lebendigkeit, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Toleranz. Die ‚Heiligen Geschäfte‘ besitzen keine eindeutige Botschaft, sie schaffen für begrenzte Zeit einen Denk- und Handlungsraum für eine neue Erfahrung und kritische Auseinandersetzung, in dem Bedeutungen überhaupt erst entstehen können. Dazu müssen alle Beteiligten aktiv werden. Jankowski jedenfalls wünscht sich Mut zum Spielen: „Es braucht dieses offene Spiel der Parteien, das erst im Nachhinein beurteilt werden kann. Ich glaube, dass die Welt eine bessere wäre, wenn Menschen sich freier aufeinander einließen.“
Termine Pressegespräch:
Donnerstag, 19.10.2023, 12 Uhr, Evangelisch-reformierte Kirche, Königstr. 18
Eröffnungsrundgang am Samstag, 21.10.2023:
15:00 Uhr, Johann-Hinrich-Wichern Kirche, Andersenring 29
16:15 Uhr, Evangelisch-reformierte Kirche, Königstr. 18
17:00 Uhr, St. Jakobi, Jakobikirchhof 1 (mit Predigt von Pastor Lutz Jedeck)
18:00 Uhr, St. Petri, Petrikirchhof 4
Ein Projekt der Overbeck-Gesellschaft e.V. in Kooperation mit St. Petri, St. Jakobi, der Johann-Hinrich-Wichern Kirchengemeinde, der Evangelisch-reformierten Kirche Lübeck, Bolia A/S, EVG Landwege EG, JessenLenz GmbH und Holtex Edith Pohl e. K